Software ist nicht patentierbar. Dieses Gerücht hält sich schon ziemlich lange ziemlich hartnäckig. Wir räumen damit auf.
Wer Software patentieren will, muss – wie bei jeder anderen Erfindung auch – die technische und die erfinderische Hürde überspringen. Ein Computerprogramm gilt als technisch, wenn es eine weitere technische Wirkung erzielt. Auch computerimplementierte Verfahren sind technisch, also Verfahren, bei denen ein Computerprogramm auf einem Computer abläuft. Die erfinderische Hürde bedeutet, dass die Erfindung außerdem weltweit neu und erfinderisch sein muss.
Computerprogramme werden vom Österreichischen Patentamt in gleicher Weise geprüft wie vom Europäischen Patentamt (EPA). Unsere Meinung zu Ihrer Software, ob sie die technische und die erfinderische Hürde überspringen kann, ist eine wertvolle Information und ein wichtiger Hinweis darauf, was Sie beim EPA erwartet. Wir sagen Ihnen, wie Ihre Chancen bei der Internationalisierung Ihres Patents (Patentanmeldung) stehen.
Mit jeder unabhängigen, sorgfältig durchgeführten Recherche und Prüfung Ihrer Innovation sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Sie irgendwann auf dem Weg zur internationalen Patentfamilie ein böses Erwachen haben. Wir geben Ihnen mit unserem Recherchenbericht frühzeitig Klarheit und eine erste Einschätzung Ihrer Innovation.
Die Art und Weise, wie wir und das EPA zu Entscheidungen kommen, wird jährlich evaluiert und angepasst. Das ist notwendig, um mit den technischen Entwicklungen Schritt zu halten, und verhindert abrupte Änderungen in der Prüfungspraxis. Ganz im Gegenteil: Es garantiert eine langfristige und stabile Entwicklung unserer Methoden. Das gibt Ihnen Rechtssicherheit.
Der Quellcode einer Software ist automatisch, also mit dem Entstehen, urheberrechtlich geschützt. Dabei behandelt das Urheberrecht den Quellcode wie ein Stück Literatur. Geschützt ist also die exakte Formulierung, nicht aber seine Funktion oder Wirkung. Schreibt jemand einen Quellcode mit anderen Formulierungen oder in einer anderen Programmiersprache, dann ist das keine Verletzung des Urheberrechts, auch wenn die Software dieselbe Funktion ausführt bzw. dieselbe Wirkung erzielt.
Ein Verfahren, das mit Hilfe eines Programms auf einem Computer ausgeführt wird, und dabei die Signale von Sensoren (auf der Haut) mathematisch auswertet, sodass der Sauerstoffgehalt im Blut ermittelt wird.
Patentierbar: Die Auswertung der Sensor-Signale durch die Software, sodass der Sauerstoffgehalt im Blut ermittelt wird, stellt eine weitere technische Wirkung [s. FAQ „Was ist die weitere technische Wirkung eines Computerprogramms?“] dar.
Ein Verfahren, das mit Hilfe eines Programms in einer Client-Server Umgebung ausgeführt wird, und dabei den Zuschlag an den*die Erstbieter*in in einer Rückwärtsauktion ermittelt.
Nicht patentierbar: Die Regeln, nach denen in einer Auktion der*die Bieter*in ermittelt wird, der*die den Zuschlag erhält, haben keine technische Wirkung sondern stellen bloß eine Geschäftsmethode dar, die lediglich von einer Software ausgeführt wird. Das Verfahren ist nicht erfinderisch, weil keine über die Verwendung einer Client-Server Umgebung hinausgehende technische Problemlösung ersichtlich ist.
Nicht patentierbar, weil nicht technisch: Es ist eine mathematische Methode.
Nicht patentierbar, weil nicht erfinderisch: Das Verfahren lehrt die Verwendung eines Computers und ist daher technisch. Das Verfahren ist aber nicht erfinderisch, da die Implementierung einer mathematischen Methode auf einem Computer nahe liegend ist.
Nicht patentierbar, weil nicht technisch: Das Computerprogramm berechnet lediglich Lösungen von Differentialgleichungen. Dabei wird aber kein technisches Problem gelöst. Ein Computerprogramm ist nur dann technisch, wenn es beim Ausführen durch einen Computer eine weitere technische Wirkung erzielt.
Eine Rechenvorschrift zur Lösung von Differentialgleichungen ist zu allgemein, als dass damit ein bestimmtes technisches Problem gelöst werden könnte.
Nicht patentierbar, weil nicht technisch: Es handelt sich um eine Geschäftsmethode.
Patentierbar, weil das Verfahren und die mathematische Methode einem technischen Zweck dienen (damit technisch), insofern das Verfahren gegenüber den bisher bekannten Verfahren zur Ermittlung der Maschinenbelegung erfinderisch ist.
Nicht patentierbar: Verfahren und mathematische Methode sind nichttechnische Merkmale, da sie ausschließlich einem wirtschaftlichen und keinem technischen Zweck dienen (Verfahren nicht technisch).
Nicht patentierbar: Das Merkmal „dass es als Produkt der Firma A erkennbar ist“, ist ein nichttechnisches Merkmal, sofern die rein abstrakte Idee „Erkennbarkeit als Produkt der Firma A“ ausschließlich einem wirtschaftlichen Zweck, etwa der Erkennung eines Markenproduktes, dient (und nicht zum Beispiel für ein Sortierverfahren von Computergehäusen genutzt wird). Das Merkmal "Computergehäuse" ist dagegen technisch, sodass der Gegenstand insgesamt technisch ist. Da allerdings das nichttechnische Merkmal ("dass es als Produkt der Firma A erkennbar ist") nicht zur erfinderischen Tätigkeit beiträgt und "Computergehäuse" bekannt sind, ist der Gegenstand insgesamt nicht erfinderisch.
Nicht alleinstehend, da als rein abstraktes Konzept nicht technisch, jedoch als Bestandteil einer technischen Umgebung. So ist beispielsweise in einem Verfahren zur Steuerung einer Waschmaschine, das eine mathematische Methode nutzt, die mathematische Methode technisch, weil sie einem technischen Zweck dient.
Quellcode kann nicht durch ein Patent geschützt werden. Er unterliegt aber dem Schutz durch das Urheberrecht.
Die Programmlogik (ebenso wie ein Computerprogramm) ist alleinstehend ein rein gedankliches Konzept (die bloße Vorstellung von dem, was der Computer tun soll, ohne, dass er bereits etwas tut), also nicht technisch und deshalb als solche (alleinstehend) auch nicht patentierbar.
Ein Computerprogramm muss, wenn es ausgeführt wird, eine weitere technische Wirkung erzielen, die darüber hinausgeht, dass beim Ablauf des Programms auf einem Computer Ströme fließen.
Beispiele: Steuerung ABS, Verschlüsselung von Nachrichten, Komprimierung von Videos;
Eine AI kann nicht als Erfinder*in genannt werden, da ein*e Erfinder*in nur eine natürliche Person sein kann. Es gibt zu dieser Frage bereits neben der Entscheidung des Europäischen Patentamtes zu den Erfindungen einer Maschine namens „DABUS“ (mehr dazu ist hier nachzulesen: https://www.epo.org/news-events/news/2020/20200128.html), eine Reihe weiterer Entscheidung aus Großbritannien und USA: Alle mit der gleichen Grundaussage, dass das Erfinderrecht nur natürlichen Personen zusteht.
Es gibt keine konkrete Patentklassifikation in der sämtliche AI-Erfindungen einheitlich klassifiziert sind. Am ehesten kommen dafür noch die Klassifikationen im Bereich G06N3 bis G06N99 in Frage. Da aber AI-Erfindungen meist ein bestimmtes technisches Problem lösen – bspw. die genaue Schätzung des Ladezustandes eines Smartphones – sind solche Erfindungen eher in jenem technologischen Bereich klassifiziert in dem das jeweilige Problem gelöst wurde. Deshalb sollte eine Recherche stets mit passenden Suchwörtern, bspw. „neural network“, „machine learning“, etc. im zutreffenden Technologiefeld durchgeführt werden.
Als Beispiel in dem AI patentiert wurde, wäre bspw. das Patent „AT 502922 B1“ zu nennen. Das Patent mit dem Titel „Verfahren zur Bestimmung des Herzzeitvolumens“ von der seinerzeitigen ARC Seibersdorf Research GmbH wurde am 15.07.2011 erteilt. Siehe hier: https://worldwide.espacenet.com/patent/search/family/038023611/publication/AT502922B1?q=AT502922B1
Dieses Beispiel ist auch deshalb von Interesse, weil der europäische Teil derselben Patentfamilie Gegenstand der aktuellen Entscheidung T 0161/18 (äquivalenter Aortendruck/ARC Seibersdorf) vom 12.05.2020 der Beschwerdekammern des EPA war, in der es um die Frage der ausreichenden Offenbarung des erfindungsgemäßen Trainings eines künstlichen neuronalen Netzes ging. Mehr dazu hier nachzulesen: https://www.epo.org/law-practice/case-law-appeals/recent/t180161du1.html
Algorithmen und Modelle, die beim maschinellen Lernen zum Einsatz kommen, sind im patentrechtlichen Sinn als mathematische Methoden anzusehen, welche vom Patentschutz ausgeschlossen sind, sofern für sie als solches Schutz begehrt wird. Die Anwendung einer bestimmten mathematischen Methode zur Lösung einer konkreten technischen Aufgabe ist hingegen dem Patentschutz grundsätzlich zugänglich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass AI Methoden in der Regel eine Basistechnologie (general purpose technology) darstellen, so wie Elektrizität oder das Internet. Die Algorithmen die auf einem Rechner oder in einem Rechnerverbund ausgeführt werden, treffen – sofern sie über ausreichende Daten verfügen – Vorhersagen oder Entscheidungen stets mit Unsicherheiten. Sie sind anwendbar zur Lösung vielfältigster Aufgaben, falls die verfügbare Rechenleistung, die Qualität der Daten und der jeweils verwendete Algorithmus dies auch ermöglichen. Neben bloßen Algorithmen wäre aber auch die Anwendung einer AI Methode zur Lösung eines nicht technischen Problems nicht patentierbar. Bspw. wäre eine Maschine, die mittels AI-Methode die künftige Entwicklung von Börsenkursen vorhersagt, nicht durch ein Patent schützbar. Hier ist ersichtlich, dass dem Patentschutz ausschließlich Lösungen technischer Probleme zugänglich sind.
Übrigens: Der Begriff „Softwarepatent“ ist irreführend. Patente beinhalten stets eine Lehre zum technischen Handeln. Patente sind im Wesentlichen nichts anderes, als eine ganz spezielle Rezeptur zur Lösung eines bestimmten technischen Problems. Software alleine – losgelöst von einem Rechner, auf dem sie ausgeführt werden könnte und fern jeglicher Einbettung in eine technische Umgebung in der sie eine technische Wirkung erzielen könnte – ist lediglich ein Computerprogramm, das für sich alleine noch kein technisches Problem lösen kann.
Ein weiteres Beispiel für eine patentierte Anwendung einer AI/ML Methode wäre das Patent „EP 0 850 016 B2“ mit dem Titel „Herzüberwachungsvorrichtung und Verfahren“. Hier dient ein neuronales Netzwerk zur Detektion von unregelmäßigen Herzschlägen bei der Patientenüberwachung. Die europäische Patentschrift findet sich hier: https://worldwide.espacenet.com/patent/search/family/010780219/publication/EP0850016B2?q=EP0850016B2
Richtig, Software „als solche“ ist vom Patentschutz ausgenommen. Um dem Patentschutz zugänglich zu sein, muss das Computerprogramm, wenn es auf dem Rechner ausgeführt wird, eine weitere technische Wirkung erzielen, bspw. wenn Software eingesetzt wird, um die Reichweite eines E-Fahrzeuges zu erhöhen.
„Pläne, Regeln und Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten“, also Geschäftsmodelle, sind genau wie Software „als solche“ vom Patentschutz ausgenommen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass in den Patentsystemen anderer Länder, bspw. in den USA, auch andere Patentierungsvoraussetzungen als hier bei uns in Europa gelten.