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Interview mit Prof. Miriam M. Unterlass

Wer glaubt schon an seine Ideen, wenn nicht man selbst?! „Ich bin davon überzeugt, dass Innovationen, die aus der Grundlagenforschung kommen, von den Erfinder*innen selbst umgesetzt werden müssen. Das macht sonst keiner“, so erklärt Prof. Miriam M. Unterlass, warum sie ein eigenes Start-up gegründet hat. Mit ihrem sauberen Verfahren zur Herstellung von Kunststoffen (nur mit heißem Wasser, statt mit giftigen Lösungsmitteln) haben sie und ihr Team von der TU Wien den Staatspreis Patent 2020 gewonnen.

„Wir haben quasi zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Das Verfahren ist nicht nur umweltfreundlich, es verbessert gleichzeitig die Materialeigenschaften“, erzählt sie. Dennoch – da ist sie sich sicher – wollen große Chemieunternehmen einen erbrachten Nachweis sehen, ob diese Innovation auch wirtschaftlich etwas bringt. Das war für Prof. Unterlass der ausschlaggebende Punkt, ein eigenes Start-up zu gründen: „Ich finde das so großartig – dieses Verfahren kann der Welt helfen und ich glaube daran, dass das gut ist.“

Von der Uni zum Start-up

Der Weg von der Universität bis zum Start-up war jedoch nicht ganz einfach: „Da ich aus einem universitären Background komme und mich da in ganz fremde Gewässer gewagt habe, war der Weg steinig und sehr schwierig“, erzählt Prof. Unterlass. „Angefangen hat alles mit unserer ersten Patentanmeldung. Da hat mich der Forschungs- und Transfersupport der TU kontaktiert und gefragt, ob ich an einem Training für akademische Spin-offs mitmachen möchte. Und weil ich so furchtbar gerne lerne, habe ich mir gedacht, warum nicht. Am Ende eines mehrtägigen Workshops gab es eine Pitch-Veranstaltung, wo man seine Idee auf der Bühne vor Investoren präsentieren konnte. Und es waren an dem Abend bestimmt 200 Investoren da. Danach konnte ich mich kaum ordentlich bewegen, weil in dem Saal so viele Menschen waren, die mich angehalten und mir ihre Visitenkarten zugesteckt haben“, erzählt sie lächelnd. An diesem Abend haben Prof. Unterlass und ihr Team auch einen der Preise mit ihrem Heißwasserverfahren gewonnen.

Durch eine Fügung des Schicksals zur Chemie

Eigentlich wollte sie mittelalterliche Geschichte studieren. Aber die Voraussetzungen dafür (Altgriechisch und Latein zu lernen) kamen ihr zu schwierig vor: „Normalerweise lachen die Leute, wenn ich das erzähle, denn jeder findet es lustig, dass mir Chemie nicht schwer vorkam.“ Schlussendich kam dann sowieso alles ganz anders. Ihr Abitur hat sie nämlich in Frankreich gemacht und da die allgemeine französische Hochschulreife in Deutschland nicht anerkannt wurde, hatte sie bei der Wahl ihres Studiums nur die Möglichkeit, eines ihrer Vertiefungsfächer zu studieren: Chemie oder Geologie. „Die Steine kamen mir aber doch sehr beengt vor, deshalb ist es dann Chemie geworden“, erzählt sie. „Es war fast ein bisschen Zufall, wie bei vielen Menschen. Und ich erzähle das auch gern ehrlich so, wenn man mich danach fragt, weil ich glaube, dass viele Menschen das Gefühl haben, Karrieren müssen vorgezeichnet und perfekt sein – auf Schiene. Und das ist nach meiner Ansicht gar nicht so.“

Je diverser das Team, desto innovativer die Arbeit

Heute hat Prof. Unterlass insgesamt drei Hochschulabschlüsse – in Chemie, Materialwissenschaft und Chemieingenieurwesen. Sie unterrichtet selbst an der TU Wien und arbeitet dort auch in einer großen Forschungsgruppe zu nachhaltigen Herstellungsverfahren für Hochleistungsmaterialien. „Es ist toll in einem großen Team zu arbeiten, da die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass man mit unterschiedlichen Menschen zu tun hat. Je diverser das Team ist, desto innovativer sind die Lösungen und die Forschungsarbeiten, die man betreibt. Das finde ich einfach fantastisch“, erzählt sie. Die Arbeit in einem großen Team stellt sie jedoch auch immer wieder vor Herausforderungen: „Ein bisschen Reibung ist schon gut, wenn man fachlich oder thematisch unterschiedliche Meinungen hat. Wenn da intensiv diskutiert wird, dann geht was weiter. Dafür muss man aber lernen, dass es nicht persönlich ist, wenn hart diskutiert wird. Ich versuche, meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer zu vermitteln, dass wir uns respektieren und sehr schätzen, und dass es völlig in Ordnung ist, Meinungsverschiedenheiten zu haben“. An neuen Projekten wird dort auch schon fleißig gearbeitet: „Was uns im Moment neben den Kunststoffen sehr interessiert, sind Farbstoffe und Pigmente. Da sehe ich ganz viel Potenzial, da man auch solche Stoffe mit Heißwassersynthesen umweltfreundlich herstellen kann. Und was ich generell interessant finde, sind Dual-Use-Geschichten – also, Stoffe für mehrere Dinge zu verwenden. Und gerade Farbstoffe sind schön und nützlich und können durch ihre elektronischen Übergänge für mehrere Anwendungen genutzt werden“.

Stereotype sind einfach nur Unfug!

Als Frau, die selbst aus der Technik kommt, ist Prof. Unterlass sehr enthusiastisch, was dieses Thema angeht. Sie ist der Ansicht, dass der Grund für den nach wie vor geringen Anteil an Frauen in technischen Berufen die Stereotypen sind, die bereits in der Kindheit vermittelt werden: „Nach wie vor wird oft gesagt, dass Mädchen gut in Sprachen sind und Jungen gut in Mathe. So gibt man halt schon jungen Menschen irgendwelche Stempel auf die Stirn.“ Sie selbst hatte auch keinen Chemiebaukasten als Kind. Dafür hat sie sich – wie so viele Kinder – an erwachsenen Vorbildern aus ihrem Umfeld orientiert, was ihren Berufswunsch anging: „Es gab eine Phase, da wollte ich Lehrerin werden. Und dann wollte ich tatsächlich Erfinderin werden, denn mein Papa ist Erfinder. Er ist Ingenieur, hat Elektrotechnik studiert, und hat viele Patente. Ich bin immer noch neidisch auf ihn. Denn wenn man bei Patentsuchmaschinen den Namen Unterlass eingibt, findet man meinen Papa immer noch öfter“, erzählt Prof. Unterlass. Der Entschluss, aufzuholen, steht schon lange fest. Dennoch ist sie der Ansicht, dass man bereits sehr früh ansetzen müsste, um den Kindern zu zeigen, dass sie alles machen können, egal wofür sie sich interessieren. Und eines ist für Prof. Unterlass ganz klar: Frauen lernen nicht weniger gut oder besser als Männer. „Ob in der Chemie, Physik oder sonstigen Ingenieurswissenschaften – wir kochen alle nur mit Wasser. Und das sind alles Dinge, die wir von der Pieke auf gelernt haben. Wenn man Chemie studiert, dann kann man am Ende auch Chemie“, sagt sie. Und sie ist davon überzeugt, dass Frauen großartige Arbeit in der Technik leisten, genauso wie Männer.

06.05.2021
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