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Frauen und Patente: Österreich Schlusslicht in Europa

Befund aus der Studie des Europäischen Patentamtes „Women’s participation in inventive activity“. Europäische und weltweite Vergleiche.

8 Fakten

  • Österreich Schlusslicht in Europa: nur 8% Frauenanteil beim Patentieren.
  • Liechtenstein mit 9,6% und Deutschland mit 10,0% knapp vor Österreich.
  • Rankingleader in Europa: Lettland (30,6%), Portugal (26,8%) und Kroatien (25,8%).
  • Frauenanteil nach Branchen unterschiedlich: Bei Chemie liegt der Frauenanteil an Patenten in Österreich bei 17,4% – und damit unter dem Durchschnitt (22,4%).
  • Egal ob typische Männer-Branchen, in denen Österreich viel patentiert (Maschinenbau, Elektrotechnik) oder Branchen mit höherer Frauenbeteiligung (Biotech, Pharmazie): Österreich ist bei Frauen-Patenten überall unterdurchschnittlich.
  • Frauenanteil nach Regionen stark unterschiedlich. Großraum Wien: 14,8%, Salzburg 3,6%.
  • Frauen als Teamplayer: Frauen patentieren häufig in großen Teams, nehmen aber selten führende Rollen ein und werden daher in Patenten seltener erwähnt.
  • Forscherinnen an europäischen Universitäten patentieren trotz gleicher Produktivität in der Forschung um 40% weniger als ihre männlichen Kollegen.

Österreich Schlusslicht in Europa

Analysiert wurden alle Länder, die zum Europäischen Patentabkommen gehören. Das sind derzeit 38 Staaten, und zwar alle 28 EU-Mitgliedstaaten sowie zehn weitere Nicht-EU-Staaten, darunter die Schweiz, Norwegen, Island und die Türkei. Weitere Vergleiche mit den größten Patentländern der Welt - China, Japan, Korea und USA - wurden gezogen. Beobachtet wurde der Zeitraum 1990 bis 2019. Österreich ist auf dem letzten Platz des Rankings, hinter Deutschland und Liechtenstein. Der Frauenanteil ist auch über den gesamten Zeitraum unverändert niedrig.  Patentamtspräsidentin Mariana Karepova: „Österreich ist aus dem European Innovation Scoreboard als Nummer 1 im Patentieren hervorgegangen. Alle patentieren hier, nur nicht die Frauen. Leider bin ich davon nicht überrascht, auch aus unseren nationalen Patentanmeldungen beim Österreichischen Patentamt ist uns das bekannt, da liegt der Anteil sogar bei nur 6%.“

Rankingleader in Europa und darüber hinaus

Interessanterweise heißt viel Patentieren nicht, dass auch der Frauenanteil an Patenten höher ist: Österreich (8,0%), Deutschland (10,0%) und die Niederlande (11,9%), die zu den Top 10 patentierenden Ländern beim Europäischen Patentamt gehören, sind am Ende der Rangliste zu finden. Deutlich besser schneiden andere stark patentierende Länder ab: So beträgt der Frauenanteil in Frankreich (16,6%), Belgien (15,8%) und Italien (14,3%). In Korea ist der Frauenanteil an Patenten 28,3%, in China 26,8% und in den USA 15%. 

Frauenanteil nach Branchen unterschiedlich

Mit 22,4% ist der höchste und am schnellsten wachsende Frauenanteil der untersuchten 38 Staaten im Bereich Chemie – hier vor allem bei Biotechnologie, Pharmazie, Nahrungsmittel und Organischer Chemie. Österreich hat in dieser Branche einen Frauenanteil von 17,4%.

Auch in den in Österreich dominanten Technologiefeldern Maschinenbau und Elektrotechnik liegt der Anteil der Erfinderinnen mit 3,1% und 3,5% weit unter dem europäischen Durchschnitt.

Dazu Mariana Karepova: „Wir konnten uns lange auf die für Frauen ungünstige Branchenstruktur ausreden. Die meisten Patente in Österreich kommen aus dem Bereich Maschinenbau und Co, also aus Branchen, wo wenige Frauen forschen und entwickeln. Jetzt wissen wir, dass Österreich in allen Branchen unterdurchschnittlich abschneidet. Auch in der Chemie, wo Frauen traditionell stark vertreten sind.“

Frauenanteil nach Regionen stark unterschiedlich

Generell gibt es in den Hauptstadtregionen höhere Frauenanteile. Keine der österreichischen Regionen findet man jedoch in den europäischen Top 10. Unter den Top-Regionen sind: London, Kopenhagen und Lazio (Rom). Die Erfinderinnenrate in Wien beträgt 14,8%. Es folgen: Tirol: 8,8%, Steiermark: 8,2%, Burgenland: 8,1%, Oberösterreich: 6,3%, Niederösterreich: 6,3%, Kärnten: 5,4%, Vorarlberg: 4,4 % und in Salzburg: 3,6%.

Frauen als Teamplayer

Eine vom Österreichischen Patentamt in Auftrag gegebene Studie zu den nationalen Patentanmeldungen von Frauen hat bereits gezeigt, dass Frauen zwar häufig in Forschungsteams arbeiten, aber selten in einer zentralen Position und somit auch nicht in den Patenten vorkommen.  Dieses Ergebnis hat nun die Studie des Europäischen Patentamtes bestätigt. Der Befund ist in allen Ländern ähnlich. Mariana Karepova: „Wir haben vor ein paar Jahren 15 patentstarke österreichische Firmen unter die Lupe genommen.  Fazit: Weniger als die Hälfte dieser Unternehmen nennt in ihren Patenten Frauen als Erfinderinnen. Diese Firmen melden Dutzende Patente pro Jahr an. Es ist aber nur eine Handvoll Frauen, die da mitspielen.“

Forscherinnen an Universitäten

Frauen an Universitäten patentieren, bei gleicher Publikationsleistung, um 40% weniger als ihre männlichen Kollegen. Selbst wenn die Forschungsergebnisse, die von Frauen publiziert werden, zu Patenten führen, werden Frauen in diesen Patenten selten als Erfinderinnen genannt. Die Namen männlicher Autoren hingegen findet man mit größerer Wahrscheinlichkeit auch im zugehörigen Patent. Der Grund: Frauen haben weniger Verbindungen zur Industrie als Männer und sind auf traditionellere akademische Karrieremodelle beschränkt.

Wir wissen genug, um zu handeln

 „Wenn 50% der Studierenden Mädchen sind, aber nur 25% MINT-Fächer studieren, wenn nur 40% der Forschenden an der Uni Frauen sind, aber nur 16% in den Firmen, wo die meisten österreichischen Patente herkommen und am Ende nur 9 % Patente von Frauen – dann besteht an jeder Stelle dieser Kette dringender Handlungsbedarf. Unis alleine, Förderagenturen allein, das Patentamt alleine können dieses System nicht in Bewegung bringen. Wir brauchen einen gemeinsamen Kraftakt“, sagt Karepova.

Einige wenige Frauen haben es geschafft und haben ihre Innovationen gemeinsam mit Universitäten und Industrie erfolgreich mit Patenten verwertet. Sie sind die Role Models, die längst überholte Bilder in unseren Köpfen verändern können. Aber Rollenbilder alleine sind nicht genug.

„Das ganze Umfeld, in dem Patente entstehen, muss weiblicher werden. Mehr Patentanwältinnen (derzeit gibt es nur 7 Frauen von 79 gelisteten Patentanwält:innen), mehr weibliche Patentverantwortliche in den Firmen und mehr Patentprüferinnen im Patentamt. Frauen ziehen weitere Frauen an“, so Karepova.

Gleichzeitig brauchen wir Förderungen für alle, die mehr Familienarbeit leisten wollen. Ausgewogene Partnerschaften ermöglichen Frauen-Karrieren. Nach Jahrhunderten muss es heute im Umkehrschluss heißen: Hinter einer erfolgreichen Frau steht ein starker Partner oder eine starke Partnerin. Firmenchefs müssen genauso akzeptieren, dass ein Mann mal früher aus der Arbeit geht, um die Kinder abzuholen, und damit nicht der ganze Druck auf den Frauen lastet. In der Pandemie hat sich dieses Problem noch verschärft und so sind auch die Frauen-Patente in dieser Zeit noch weiter zurückgegangen.

Frauen in Leitungspositionen sind noch immer die Ausnahme – insbesondere im technischen Umfeld. Manager:innen haben es in der Hand die Ausnahme zur Regel zu machen und Frauen in Führungspositionen zu setzen. Ein erster Schritt zur Förderung von Frauenkarrieren ist es, die High Potentials im Unternehmen - samt Stärken und Schwächen - zu kennen und ihre Skills zu trainieren. Die IP Academy des Patentamtes wird deshalb ab nächstes Jahr spezielle IP-Seminare für Frauen anbieten, die nicht nur Awareness für geistiges Eigentum schaffen, sondern auch eine Plattform zur Vernetzung von Forscherinnen, Erfinderinnen und Unternehmerinnen bieten sollen.

Service:

Studie des Europäischen Patentamtes und Studie des Österreichischen Patentamtes

08.11.2022
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