Manche Markenanmeldungen lassen auch uns rot werden. Das kann ein Hindernis für die Eintragung sein. Wann eine Marke gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstößt, erfahren Sie hier.
Stellen Sie sich vor, Sie möchten einen neuen Likör auf den Markt bringen. Um Aufmerksamkeit zu erregen, braucht er noch einen richtig guten Namen. Also setzen Sie sich hin, trinken vielleicht das eine oder andere Gläschen von Ihrem Produkt – und schon kommt der Geistesblitz! Mit diesem Markennamen ist Ihnen die Aufmerksamkeit der Konsumentinnen und Konsumenten sicher:

Doch bei der Registrierung als Unionsmarke kommt es zum markenrechtlichen Coitus interruptus: Die Eintragung wird abgewiesen, weil ein absolutes Eintragungshindernis vorliegt – ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten.
So passierte das einem deutschen Spirituosenhersteller, der einen Likör mit ebendiesem Namen verkauft und dafür eine Marke registrieren wollte. Der Fall ging bis zum Gericht der Europäischen Union, doch das blieb dabei: Der Likör kann nicht als Unionsmarke eingetragen werden. Auch in Österreich ging der Hersteller damit bis zum Obersten Gerichtshof – ebenfalls erfolglos.
Laut EU-Recht sind „Marken, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen“, von der Eintragung ausgeschlossen. Doch was bedeutet das?
Das Netzwerk der Europäischen Union für geistiges Eigentum EUIPN hat die öffentliche Ordnung definiert als „[…] eine Reihe grundlegender Normen, Grundsätze und Werte der verschiedenen Gesellschaften in der Europäischen Union zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dazu gehören insbesondere die universellen Werte der Europäischen Union wie Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit und Solidarität sowie die Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtecharta) proklamiert wurden.“ Das heißt: Wenn ein Zeichen etwa Gewaltanwendung, den Konsum von illegalen Drogen oder andere kriminelle Handlungen verherrlicht oder ein Risiko für die öffentliche Sicherheit darstellen könnte, kann es nicht als Marke eingetragen werden.
Die guten Sitten wiederum beziehen sich auf „die grundlegenden moralischen Werte und Normen, die von einer Gesellschaft in der Europäischen Union zu einem bestimmten Zeitpunkt akzeptiert werden.“ Dabei zählt vor allem die „Wahrnehmung dieses Zeichens durch die maßgeblichen Verkehrskreise“ – also wie die Zielgruppe es versteht.
Ob ein Zeichen gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstößt, ist in der Praxis nicht so leicht zu entscheiden. Schließlich haben Menschen ganz unterschiedliche Moralvorstellungen – und auch das Sprichwort „andere Länder, andere Sitten“ kommt nicht von ungefähr. Bei der Beurteilung gilt laut EUIPN der „Maßstab einer vernünftigen Person mit normaler Empfindlichkeit und Toleranz“. Und: Entscheidend ist auch immer der Kontext der Marke bzw. des Produkts.
Falls Ihre Marken-Idee zu heiß für eine Registrierung ist, dürfen Sie das fragliche Produkt trotzdem in Verkehr bringen – nur eben ohne Markenschutz. Das zeigte sich im Fall einer Erfolgskomödie aus Deutschland: Im Jahr 2015 meldete Constantin Film die Unionsmarke „Fack Ju Göhte“ (013971163) an, passend zum gleichnamigen Film. Doch die Anmeldung wurde zurückgewiesen, weil der Titel des Films gegen die guten Sitten verstoße.
Nach einem fünfjährigen Rechtsstreit hob das Gericht der Europäischen Union diese Entscheidung auf: Allein der Erfolg der Komödie im deutschsprachigen Raum sei ein Indiz dafür, dass die maßgeblichen Verkehrskreise den Filmtitel nicht für anstößig hielten. Seit 2021 ist „Fack Ju Göhte“ als Unionsmarke registriert. Natürlich konnte der Film (und seine Fortsetzungen) trotzdem weiterhin im Kino und Fernsehen gezeigt werden.
Auch der eingangs erwähnte Spirituosenhersteller verkauft uneingeschränkt den Likör mit dem unanständigen Namen. Aber anscheinend hat man trotzdem aus dieser Episode gelernt: Mittlerweile kam vom gleichen Hersteller auch ein Schwesterprodukt auf den Markt: ein Likör namens KUSCHELN (15075039). Er konnte problemlos als Unionsmarke registriert werden.